Das Buch feiern und Lesefreude wecken

Buchhandlungen und Schulen feiern jährlich bundesweit ein großes Lesefest zum Welttag des Buches.

Buchhandlungen und Schulen feiern jährlich bundesweit ein großes Lesefest zum Welttag des Buches.

Über eine Million Kinder der vierten und fünften Klassen erhalten in diesem Jahr den von Katharina Reschke und Timo Grubing eigens für den Welttag des Buches 2023 verfassten und gezeichneten Comicroman „Volle Fahrt ins Abenteuer“ bei einem Klassenbesuch von einer zuvor ausgewählten Buchhandlung.

Da es in Laichingen leider keine stationäre Buchhandlung mehr gibt, übernahm die Stadtbücherei in diesem Jahr die Rolle des Buchhandels und verschenkte das Taschenbuch an Schüler der Laichinger fünften Klassen. Zu diesem Anlass lud sie den Laichinger Buchhändler und Antiquar Ernst Joachim Bauer der ehemaligen Buchhandlung Aegis ein.

Er erzählte den interessierten Schülern des Albert-Schweitzer-Gymnasiums bei ihrem Besuch in der Stadtbücherei spannende Fakten über die Entwicklung des Buches und den Welttag des Buches.

Das Buch sei in der Stadtbücherei in großer Menge da, werde dennoch im Alltag zunehmend verdrängt. Der Welttag des Buches ist laut Ernst Joachim Bauer deshalb wichtig, um das Buch im Blick zu behalten. „Warum feiern wir wohl am 23. April?“, wollte er von den Schülern wissen. Die Antwort kam prompt: „Weil an diesem Tag das erste Buch gedruckt wurde“, mutmaßte ein Fünftklässler. Laut Bauer hätte es Sinn gemacht, die Erfindung des Buchdruckes als Anlass zu nehmen.

Allerdings wisse man nicht, an welchem Tag Johannes Gutenberg geboren oder gestorben sei. Deshalb habe sich die Welt etwas anderes Großartiges einfallen lassen und sei auf den Todestag des spanischen Schriftstellers Miguel de Cervantes und des englischen Autors William Shakespeare gekommen, die beide am 23. April gestorben sind.

Dennoch gehöre die Erfindung des Buchdrucks mit den aus Blei gegossenen beweglichen Lettern zu den herausragenden Erfindungen des Mittelalters. Sie beeinflusste die wirtschaftliche, politische und kulturelle Entwicklung seiner Zeit bis in die Gegenwart. Durch den Buchdruck sei es plötzlich möglich gewesen, Informationen, Erfahrungen und Ideen um ein Vielfaches schneller und in größerer Auflage zu vervielfältigen und in der Welt zu verteilen.

Zuvor sei die Tradition des Lesens und Schreibens vor allem in christlichen Klöstern gepflegt worden, in denen Mönche in Schreibstuben Texte überlieferten. Dazu zählte vor allem die Bibel. Mönche seien oft ihr ganzes Leben mit der Abschrift einer Bibel beschäftigt gewesen.

Bauer sprach von einer Revolution im zweiten Jahrtausend nach Christus. Denn ohne den Buchdruck hätte beispielsweise die Reformation 1517 (60 Jahre nach Erfindung des Buchdrucks) nicht stattfinden können. Die Menschheit hätte mit dem gedruckten Buch einen Schatz bekommen, in den man Fantasie hineinlegen könne.

Mit der digitalen Revolution im dritten Jahrtausend nach Christus hätte eine vergleichbare Revolution stattgefunden, die ebenfalls neue Dimensionen ermöglichte: „Ich werte nicht, was besser ist, das analoge oder das digitale Zeitalter. Die etwas langsamere Art des Buches wird durch die Digitalisierung allerdings zurückgedrängt.“

In diesem Zusammenhang sensibilisierte der Buchhändler und Antiquar die Schüler, was die Informationssuche angeht. Wenn man in einer Enzyklopädie nachschlage, wisse man, wer dahinterstehe, eine Redaktion, die Orientierung gebe. Bei einer Recherche im Internet sei das nicht immer der Fall.

Das Buch habe sich verändert und entwickelt, angefangen von den Handschriften der Mönche, über die Erfindung der beweglichen Lettern, bis heute. Zur Veranschaulichung hatte Ernst Joachim Bauer spannende Exemplare in die Stadtbücherei mitgebracht.

So zum Beispiel einen Teil der wohl berühmtesten Enzyklopädie, die unter der Herausgeberschaft von Denis Diderot entstand und deren erster Band im Jahr 1751 erschien und knapp 30 Jahre später mit dem 35. und letzten Band abgeschlossen wurde. Bauer erklärte, dass es sich um ein Hauptwerk der Aufklärung handele.

Besonders beeindruckt zeigten sich die Schüler von einer großen Bibel aus dem Jahre 1730, die genauso schwer wie eine gefüllte Schultasche ist. Reihum durften die Kinder das Buch in der Hand halten.

Eine einzelne Seite aus einem Gebetbuch aus dem Jahre 1507 erinnere daran, wie Handschriften aussahen.

Außerdem im Gepäck hatte Ernst Joachim Bauer eine Weltchronik aus dem Jahre 1497, das damals auflagenstärkste Buch mit ca. 1.000 Exemplaren.

Auf großes Interesse beim Publikum stieß aber auch ein sogenanntes Buchkunst-Objekt aus dem Jahre 1870, bei dem die Seiten zusammengeklebt und innen ausgeschnitten wurden, um eine kleine Bibliothek einzubauen. „Dieses Exemplar mit einem Titel von Charles Dickens gehört zu den Dingen, die einfach Spaß machen“, ergänzte Bauer.

Mit einem Kalender aus dem Jahr 1837 hatte er noch eine ganz besondere Rarität, eines der kleinsten Bücher der Welt, mit in die Stadtbücherei gebracht. „Was macht das Buch so selten?“, wollte er wissen. „Das verliert man leicht“, lieferte eine Schülerin die richtige Antwort. 

Aber auch das Bilderbuch, von dem die Fünftklässler sich zum Beispiel noch an den Klassiker „Die Raupe Nimmersatt“ von Eric Carle erinnerten, veränderte sich, wie Bauer mit einem hundert Jahre alten Exemplar demonstrierte. „Wesentlich farbiger sind die Bilderbücher, die heute erscheinen.“

Abschließend durften die Schüler noch Goethes Faust in einer besonders ansprechenden Ausgabe in den Händen halten. „Was macht dieses Buch interessanter als eine Reclam-Ausgabe?“ Die Typographie sei speziell nur für dieses Buch gemacht, es sei in einer Auflage von nur 25 Exemplaren erschienen und mit Ziegenleder eingebunden. Warum macht man das? „Es ist einfach nur schön! Ich garantiere Dir, daraus liest Du Goethes Faust lieber“, ist sich Ernst Joachim Bauer sicher.

Dass es einem um das Buch in Laichingen nicht bange sein muss, bewiesen alle fünften Klassen des Albert-Schweitzer-Gymnasiums, die sich nicht nur äußerst interessiert an den antiquarischen Büchern zeigten, sondern den Besuch in der Stadtbücherei nutzten, um massenweise modernes Lesefutter auszuleihen und in Taschen nach Hause zu schleppen.

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